Ein kleines Amtsgericht in Aschersleben sorgt für Aufsehen, indem es den THC-Grenzwert für die „nicht geringe Menge“ bei Cannabisbesitz auf 37,5 Gramm festsetzt – ein Wert, der weit über dem vom Bundesgerichtshof (BGH) definierten Limit von 7,5 Gramm liegt. Dieses Urteil steht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung und könnte weitreichende Folgen für die zukünftige Handhabung von Cannabisbesitz in Deutschland haben.
Der Streit um den Grenzwert für THC
Im April 2024, mit der Legalisierung von Cannabis, entschied der Bundesgerichtshof, dass die „nicht geringe Menge“ THC, die strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, weiterhin bei 7,5 Gramm bleiben sollte. Diese Entscheidung wurde getroffen, obwohl mit der Einführung des neuen Cannabis-Konsumgesetzes (KCanG) eine liberalere Haltung gegenüber Cannabis eingenommen wurde. Der BGH argumentierte, dass keine Notwendigkeit bestehe, die seit den 1980er Jahren geltende Risikobewertung zu ändern, obwohl sich die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen geändert haben.
Diese Haltung stieß auf Widerstand bei vielen Politikern und Rechtsexperten, die der Ansicht sind, dass der BGH mit seiner Entscheidung die Intention des Gesetzgebers ignoriert hat. Insbesondere wurde kritisiert, dass der BGH an einer veralteten Risikobewertung festhält, die nicht mehr der aktuellen Situation und den geänderten gesellschaftlichen Ansichten entspricht.
Aschersleben geht einen anderen Weg
Das Amtsgericht Aschersleben stellte sich nun gegen die Rechtsprechung des BGH und legte den THC-Grenzwert für eine „nicht geringe Menge“ auf 37,5 Gramm fest – fünfmal so hoch wie der Wert des BGH. In seiner Begründung verweist das Gericht auf die Gesetzesbegründung des neuen Cannabis-Konsumgesetzes, die eine Anpassung des Grenzwerts fordert. Die Richter argumentieren, dass die frühere Risikobewertung, die auf Studien und Annahmen aus den 1980er Jahren basierte, heute nicht mehr gültig sei. Das Gericht sieht es als notwendig an, die Risikobewertung angesichts gestiegener Konsumentenzahlen und der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen.
Das Urteil und die Kritik am BGH
Das Urteil aus Aschersleben zielt darauf ab, eine realistischere und modernere Einschätzung des Risikos von Cannabis zu fördern. Das Amtsgericht stellt klar, dass die Risikobewertung eine gesellschaftliche Wertentscheidung darstellt und nicht ausschließlich auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen basieren kann. Insbesondere verweist das Gericht auf den Vergleich mit Alkohol, dessen Risiken in Bezug auf Verkehrsunfälle und Gewaltverbrechen ebenfalls hoch sind, jedoch keine grundlegenden Einschränkungen für den legalen Konsum darstellen.
Weitere rechtliche Schritte und mögliche Folgen
Das Urteil des Amtsgerichts Aschersleben ist noch nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft Magdeburg bereits Revision gegen die Entscheidung eingelegt hat. Sollte die Entscheidung rechtskräftig werden, könnte sie das bestehende System der THC-Grenzwertbestimmung in Deutschland erheblich beeinflussen und möglicherweise zu einer landesweiten Anpassung der Grenzwerte führen.
Dieses Urteil könnte auch eine breitere Diskussion über den Umgang mit Cannabis und die notwendige Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen an die veränderte gesellschaftliche Realität anstoßen. Die Frage bleibt, ob andere Gerichte dem Beispiel des Amtsgerichts Aschersleben folgen werden und ob der BGH seine Haltung in Zukunft überdenkt.