Neue Forschungsergebnisse aus Kanada stellen eine der häufigsten Befürchtungen rund um die Cannabis-Legalisierung auf den Prüfstand. Cannabis und Psychosen gehen angeblich oft gemeinsam einher. Also stellte sich die Frage: Steigt das Risiko für psychotische Störungen, wenn Cannabis legal erhältlich ist? Eine aktuelle bevölkerungsbasierte Studie aus Ontario gibt darauf eine differenzierte Antwort. Trotz der Legalisierung von Freizeit-Cannabis und dem erleichterten Zugang zeigt die Analyse: Im Zeitraum unmittelbar nach der Gesetzesänderung kam es zu keinem Anstieg psychotischer Erkrankungen.
Cannabis und Psychosen: Gibt es eine Verbindung?
Der Zusammenhang zwischen der Legalisierung von Cannabis und Psychosen wird seit Jahren diskutiert – auch in Deutschland, wo aktuell ähnliche Modelle wie in Kanada zur Debatte stehen. Wissenschaftlich ist belegt, dass intensiver und früher Cannabiskonsum das Risiko für psychotische Störungen erhöhen kann. Viele Expertinnen und Experten befürchten deshalb, dass eine Legalisierung psychische Erkrankungen in der Bevölkerung befeuern könnte.
Die Provinz Ontario legalisierte im Oktober 2018 den Verkauf und Konsum von Cannabis für den Freizeitgebrauch. Allerdings galten zunächst strenge Regeln: Nur wenige Verkaufsstellen waren zugelassen, die Produktpalette war eingeschränkt. Diese „Marktbeschränkungen“ schufen ideale Bedingungen, um die unmittelbaren gesundheitlichen Auswirkungen der Legalisierung unter kontrollierten Bedingungen zu untersuchen.
Studie im Überblick: Was wurde untersucht?
Das Forscherteam um Kelly K. Anderson analysierte Daten von über 9 Millionen Menschen im Alter von 14 bis 60 Jahren aus den Jahren 2014 bis 2020. Ihr Ziel war es, mögliche Veränderungen bei psychotischen Erkrankungen und der Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten nach der Legalisierung zu erkennen. Konkret wurden folgende Indikatoren ausgewertet:
- Ambulante Behandlungen aufgrund psychotischer Symptome
- Notaufnahmebesuche wegen Psychosen
- Krankenhausaufenthalte im Zusammenhang mit psychotischen Störungen
- Neu diagnostizierte Fälle von substanzinduzierten Psychosen
- Die Forschenden verglichen dabei die 17 Monate vor und nach der Legalisierung, um kurzfristige Auswirkungen sichtbar zu machen.
Ergebnisse: Keine Zunahme psychotischer Erkrankungen nach Legalisierung
Die Analyse ergab ein deutliches Ergebnis: Im Zeitraum unmittelbar nach der Legalisierung von Cannabis gab es keinen signifikanten Anstieg der Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten oder der Diagnose psychotischer Störungen. Das Risiko für eine Cannabis-bedingte Psychose hat sich kurzfristig nicht erhöht – trotz der neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Die Forschenden beobachteten jedoch einen allgemeinen Trend: Über den gesamten Zeitraum von 2014 bis 2020 stiegen die Zahlen psychotischer Erkrankungen leicht an. Dieser Anstieg begann jedoch bereits vor der Legalisierung und steht deshalb nicht in direktem Zusammenhang mit der Gesetzesänderung.
Fazit: Was bedeutet diese Studie für die Debatte in Deutschland?
Die Ergebnisse aus Ontario liefern wichtige Hinweise für Länder wie Deutschland, in denen die Cannabis Legalisierung Psychose-Debatte aktuell geführt wird. Die Studie zeigt, dass eine kontrollierte Freigabe von Cannabis nicht zwangsläufig mit einem kurzfristigen Anstieg psychotischer Erkrankungen einhergeht – zumindest dann nicht, wenn der Markt durch strenge Regulierungen begrenzt wird.
Gleichzeitig weisen die Autorinnen und Autoren der Studie ausdrücklich darauf hin, dass langfristige Effekte noch nicht ausreichend erforscht sind. Die Daten beziehen sich ausschließlich auf die ersten 17 Monate nach der Legalisierung. Es bleibt offen, wie sich die Zahlen entwickeln, wenn der kommerzielle Markt wächst, die Verfügbarkeit steigt und die Produktvielfalt zunimmt.
Für politische Entscheidungsträger bietet die Studie dennoch eine wertvolle Orientierung: Eine Cannabis-Legalisierung unter strengen Auflagen muss nicht automatisch zu einem Anstieg psychotischer Störungen führen. Die öffentliche Debatte sollte daher differenzierter geführt werden und sich auf wissenschaftliche Evidenz stützen.