Modellprojekte sind wissenschaftlich begleitete Pilotvorhaben, bei deren Umsetzung Cannabis unter streng kontrollierten Bedingungen legal verkauft werden darf. Ziel ist es, verlässliche Daten zu gewinnen: Wie verändert sich das Konsumverhalten, bei einer Legalisierung? Wird der Schwarzmarkt geschwächt? Wie verhält es sich dabei mit dem Jugendschutz?
In Deutschland hätten diese Modellprojekte eine zentrale Rolle spielen sollen, um die Teillegalisierung zu begleiten und wertvolle Erkenntnisse zu schaffen. In Städten wie Frankfurt am Main oder Hannover war geplant, den kontrollierten Verkauf zu testen. So lässt sich nicht nur besser verstehen, wie ein legaler Markt funktioniert, sondern auch, wie Politik und Regularien angepasst werden sollten.
Doch bis heute ist kein einziges dieser Modellprojekte genehmigt worden. Die Sanity Group begleitet diese Projekte zum großen Teil und stellte bereits dementsprechende Anträge. Doch diese wurden in Frankfurt und Hannover bereits abgelehnt.
Warum wurden Modellprojekte abgelehnt?
Die Ablehnung liegt nicht an inhaltlichen Mängeln der Anträge, sondern an rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) argumentiert, dass die Forschungsklausel des Konsumcannabisgesetzes (§ 2 Abs. 4 KCanG) auf solche Modellprojekte nicht anwendbar sei. Der Gesetzgeber habe die Modellprojekte bewusst aus dem Geltungsbereich des Gesetzes herausgenommen.
Daher sehe sie in der aktuellen Rechtslage „keine Möglichkeit“, entsprechende Genehmigungen zu erteilen. Auch wenn Antragstellerinnen und Antragsteller angehört werden und Widerspruchsmöglichkeiten bestehen – die rechtliche Hürde bleibt hoch.
Die Sanity Group hat offiziell Widerspruch eingelegt. Ihr Geschäftsführer Finn Hänsel verweist darauf, dass der Antrag juristisch sorgfältig geprüft und durch externe Gutachten gestützt worden sei. Dennoch blieb bisher die Genehmigung aus. Und das, obwohl die Teillegalisierung bereits erste Erfolge erzielt hat.
Erste Erkenntnisse aus dem EKOCAN Bericht
Während über die Modellprojekte weiter gestritten wird, läuft im Hintergrund das große Forschungsprogramm EKOCAN (Evaluation des Konsumcannabisgesetzes). Dieses Projekt untersucht, wie sich die Teillegalisierung tatsächlich auf Alltag, Gesundheit und Gesellschaft auswirkt. Im Fokus stehen Themen wie Jugendschutz, Prävention, öffentliche Sicherheit und die Entwicklung des Schwarzmarkts.
Ende September 2025 wurde der erste EKOCAN Bericht veröffentlicht. Dieser liefert spannende, wenn auch noch vorsichtige Ergebnisse. Laut EKOCAN halten viele Konsumierende die neuen Besitz- und Abgaberegeln ein. Größere Verstöße sind seltener geworden, was darauf hindeutet, dass sich die gesetzlichen Grenzen bereits eingespielt haben. Auch die Umsetzung von Straf- und Bußgeldvorschriften wurde analysiert, um zu prüfen, wie gut das Gesetz in der Praxis funktioniert.
Was aber fehlt, ist ein entscheidender Baustein: die Modellprojekte, also reale Verkaufsversuche unter wissenschaftlicher Aufsicht. Da bislang kein einziges dieser Projekte genehmigt wurde, kann EKOCAN diesen Bereich derzeit gar nicht abbilden. Die Forschenden betonen selbst, dass dadurch eine wichtige Lücke in der Datenlage bleibt.
Mehrere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben deshalb in einem offenen Brief darauf hingewiesen, dass Deutschland ohne genehmigte Modellprojekte keine wirklich belastbaren Erkenntnisse über die Auswirkungen eines legalen Markts gewinnen kann. Das Begleitprojekt EKOCAN liefert also wertvolle Anhaltspunkte, ersetzt aber nicht die praktische Erfahrung, die durch Modellprojekte erst möglich wäre.
Weniger Verfahren – mehr offene Fälle
Interessanterweise zeigen sich seit der Teillegalisierung erste spürbare Veränderungen im Justizbereich. Die Zahl der Strafverfahren wegen Cannabisverstößen ist deutlich zurückgegangen. Im Jahr 2024 wurden rund 315.000 Verfahren abgeschlossen, das entspricht einem Rückgang von 26 Prozent im Vergleich zu 2023. Diese Entwicklung zeigt, dass der neue gesetzliche Rahmen die Behörden spürbar entlastet.
Gleichzeitig steigt jedoch die Zahl der unerledigten Verfahren weiter an. Mit rund 950.900 offenen Ermittlungen wurde im vergangenen Jahr ein neuer Rekordstand erreicht. Viele Verfahren bleiben liegen, weil sie nicht schnell genug bearbeitet werden oder die personellen Ressourcen fehlen.
Die Daten deuten darauf hin, dass die Justizstruktur unter Druck steht. Es gibt zwar weniger neue Ermittlungsverfahren, gleichzeitig verlängern sich die Bearbeitungszeiten. Etwa 60 Prozent der Verfahren werden eingestellt, meist wegen Geringfügigkeit oder fehlendem Tatverdacht. In rund sieben Prozent der Fälle kommt es zu einer Anklage, weitere zehn Prozent enden mit einem Strafbefehl.
Insgesamt entsteht so ein gemischtes Bild. Einerseits entlastet die Teillegalisierung Polizei und Staatsanwaltschaften, andererseits zeigen sich strukturelle Engpässe, die eine zügige Bearbeitung vieler Fälle verhindern.
Fazit
Am Ende geht es bei den Modellprojekten in Deutschland um mehr als nur juristische Details oder bürokratische Verfahren. Es geht darum, zu erfahren, wie eine verantwortungsvolle Legalisierung in der Praxis funktionieren kann. Wie lässt sich der Kinder-und Jugendschutz umsetzen? Wie kann man Risiken reduzieren und gleichzeitig den Schwarzmarkt zurückdrängen? Welche legale Bezugsquelle funktioniert am besten?
Die Ablehnung aller bisherigen Modellprojekte zeigt, dass in der Politik noch einiges passieren muss. Das Konsumcannabisgesetz zeigt zwar erste positive Effekte, doch ohne begleitende Forschung fehlt die Grundlage, um langfristige Entscheidungen wissenschaftlich abzusichern.
Für eine moderne und lernfähige Cannabispolitik braucht es klare gesetzliche Rahmenbedingungen und reale Modellprojekte. Nur wenn Politik, Forschung und die Praxis, wie ursprünglich geplant, zusammenarbeiten, lässt sich eine vernünftige und praxisorientierte Legalisierung weiterentwickeln. Deutschland sollte als Vorreiter der Cannabislegalisierung in Europa gelten, doch die Realität sieht aktuell ganz anders aus.
